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Kennen Sie… die alte Post?
Die alte Post am Kornmarkt war zu ihrer Erbauungszeit die neue Post und ersetzte den vorherigen Standort in der Neustraße nicht nur räumlich. Mit dem monumentalen “Post- und Telegraphengebäude” der Kaiserlichen Oberpostdirektion manifestierte die Regierung in dem schlossartigen Gebäude ihre Wichtigkeit mitten in der Stadt. Immerhin war Trier einer der 26 Regierungsbezirke Preußens und somit auch Ort für eine zentrale Stelle der Post. Doch auch in der neuen Post steckt altes Gemäuer.
TRIER. Den westlichen Abschluss des Kornmarktes bildet heute ein einziges langgestrecktes Gebäude. Ganze 15 Achsen, mehr als 40 Fenster und sechs Balkone gliedern die dreigeschossige Fassade und erinnern ein wenig an ein herrschaftliches Palais aus barocken Zeiten. Ein bisschen davon ist tatsächlich in dem Gebäude zu finden, das in den letzten Jahrhunderten immer breiter und niedriger wurde. Mehrere Bauphasen hat das Objekt hinter sich, die jeweils den Charakter grundlegend änderten.
Begonnen hat die Geschichte der heutigen Fleischstraße 57-60 in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 1746 legt die Stadt Trier den öffentlichen Platz an, auf dem Markt gehalten wird, wie der heutige Name noch anklingen lässt. Ab 1749 entsteht der barocke Georgsbrunnen. In diesem neu gestalteten Ambiente lässt sich der Trierer Kaufmann Johann Jacob Vacano 1759 ein Palais errichten.
Der Architekt seiner Wahl ist niemand Geringeres als der kurtrierische Hofwerkmeister Johannes Seiz, der nicht nur den oben genannten Brunnen entworfen hat, sondern einige Jahre später auch den Südflügel des Kurfürstlichen Palais errichtet. Der Schüler des berühmten Balthasar Neumann erschafft mit dem Bürgerhaus ein repräsentatives Gebäude, welches Ähnlichkeiten mit dem großen Bau neben der Konstantinbasilika nicht verleugnen kann.
Im großen, die drei Mittelachsen überspannenden Dreiecksgiebel ist das Relief einer Burg angebracht gewesen, weswegen das Haus auch den Namen Königsburg erhält, wie die Trierer Chronik 1920/21 berichtet. 1830 erwirbt der Trierer Postdirektor Conrad das Gebäude für die Preußische Postverwaltung, in welches die Trierer Post auch einzieht. Obwohl das Anwesen mit seinem großen Hintergebäude, gepflastertem Hof, großem Magazin, einer Wagenremise, Pferdestall und Futterspeicher beträchtliche Ausmaße hat, wird es der Verwaltung zu klein. Nach dem Kauf der Nachbarhäuser werden diese Gebäude kurzerhand abgerissen, um Platz für die neue Post zu schaffen. Nur das Portal der Königsburg ist heute noch als solches erhalten und führt in den großen malerischen Innenhof, der von weiteren Flügeln umfasst wird.
1879 bis 1882 schließlich lässt die preußische Regierung die neue Post errichten, welche die westliche Seite des Kornmarkts fortan dominieren wird. Nach dem Entwurf von August Kind aus dem Reichspostamt Berlin arbeiten an dem Trierer Gebäude Postbaurat Cuno als Oberbauleiter und Regierungsbaumeister Hausmann als Bauleiter. Hinter den elf Achsen der Fassade an der Fleischstraße befindet sich im Erdgeschoss die Schalterhalle. Im ersten Obergeschoss residiert die Oberpostdirektion, in der zweiten Etage wohnt der Oberpostdirektor. Richtung Metzelstraße im Westen sind die Postkasse, Telegraphie-Räume sowie eine weitere Wohnung und die Remisen für die Kutschen und Fahrzeuge untergebracht, wie die Denkmaltopographie berichtet.
Das südliche Portal, welches in den Innenhof des Haupttraktes führt, ist das Portal der Königsburg von 1759. Das Jahr selbst findet sich als Reminiszenz etwas weiter oben wieder, und zwar in der Kartusche im Fensterscheitel des ersten Stockwerks direkt über dem Eingang. Parallel dazu steht über dem besonders hervorgehobenen Eingang zur ehemaligen Posthalle das Baujahr 1881. Das Portal ist von Säulen umgeben, die als Hinweis auf die Nutzung des Anwesens mit Posthörnern verziert sind.
Nach über zwanzig Jahren wird es der Postdirektion wieder zu eng und das bekannte Prozedere von 1879 wiederholt sich. Die Verwaltung kauft die anliegenden Häuser auf, reißt sie ab und erweitert das Haus in die Breite. Aus den elf Achsen werden 15. Je zwei Achsen zu jeder Seite werden ab 1908 bis 1911 angebaut, im Stil des vorhandenen Gebäudes. Und auch das Areal in Richtung Westen wird verändert und erweitert. Ein Relief über dem Eingang des neuen Südflügels zeigt ein Segelfrachtschiff auf bewegter See mit Paketpost an Bord – ein modernes Zeichen für die schon damals globalen Betätigungsfelder der Post.
Heute zeigt sich das Gebäude schlicht, aber etwas aus der Façon geraten. Das lange Gebäude mit den drei Stockwerken wirkt mit dem arg flach geratenen Dach etwas gedrängt, die Leichtigkeit des bewegten Daches fehlt. Doch gerade die Strenge der Fassade, die vielen Fenster und Öffnungen machen neugierig auf das, was innen passiert. Und das ist eine ganze Menge, seit die Post das Gebäude nicht mehr nutzt und zudem verkauft hat. Vor den Renovierungsmaßnahmen waren die Fenster im Erdgeschoss noch geteilte Sprossenfenster, die zum Stil des Gebäudes passten. Heute sind diese leider nur noch in den oberen Etagen erhalten. Im Erdgeschoss ist die Fensterhöhe bei den kleinen Fenstern nach unten vergrößert, wodurch das Gesims nach unten “rutscht” und an den Portalen keine einheitliche Linie mehr bildet. Die dunkelgrauen Fensterumrandungen und Einteilungen bilden keine Symbiose mehr mit den oberen Etagen und zollen mehr dem Konsum Tribut als dem städtebaulichen Gesamtbild, welches auf diese neuen Schaufensterflächen gut hätte verzichten können.
Eine hervorragende Umnutzung der ehemaligen Postdirektion zu einem Shoppingcenter ist übrigens in Amsterdam gelungen. Die Fenster sind original groß geblieben, Außenwerbung fehlt und der Städtebummler fragt sich, was es hier wohl zu entdecken gibt – und geht einfach hinein.