Audio-Podcast: 7:02 min.
Kennen Sie… die neue Universität?
Die Neue Universität Trier feiert 2020 seinen 50. Geburtstag. Gegründet wird die Campusuniversität im Jahr 1970 außerhalb des Stadtzentrums auf der Tarforster Höhe. Die Alte Universität hatte ihren Ort zwischen 1473 und 1799 inmitten der Altstadt an verschiedenen Orten.
Der Bau von Campusuniversitäten „auf der grünen Wiese“ ist in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts beliebt, die Trierer Universität reiht sich so in die parallel entstehenden Institutionen in Bochum, Regensburg, Konstanz oder auch Bremen ein. Ein Grund für Gründungen außerhalb der Stadtkerne liegt in den Erweiterungsmöglichkeiten, die in den Städten selbst begrenzt sind. Vorbild sind die angloamerikanischen Hochschulen. Es soll vermieden werden, einzelne Universitätsstandorte in der Stadt zu verteilen. Die neue Universität Trier liegt von Anfang an etwas außerhalb, zuerst als Pädagogische Hochschule auf Schneidershof, dann auf der Tarforster Höhe.
Die Gebäude der Siebziger Jahre zeigen ganz deutlich einen stilistischen Bruch zur modernen und nachmodernen Architektur. Schon in den Sechziger Jahren werden Gebäude nicht mehr unbedingt als Einzelwerke betrachtet. Wichtig ist für die Planer und Architekten, Stadt, Architektur, Kultur, Konsum, Pop Art sowie Utopie mit technischer Vision zu verbinden und neue Räume zu schaffen. Größere Zusammenhänge werden modulartig zusammengesetzt und sind erweiterbar. Hierfür ist vor allem ausreichend Raum notwendig. Das Tarforster Plateau bietet beste Voraussetzungen.
Im wahrsten Sinne auf der grünen Wiese wird hier ein kompletter neuer Stadtteil errichtet, der neben den akademischen Einrichtungen auch ein Stadtteilzentrum vorsieht. Es verbinden sich Elemente industrieller Architektur mit gegliederten Baumassen. Alles ist miteinander vernetzt. Entstanden ist hier seit 1970 ein Campus, der sich in eine sensibel gestaltete Landschaft einbettet. Es hat sich eine neue künstliche Topografie mit hohem Aufenthaltswert gebildet.
Die Planung der neuen Universität Trier sieht die Gruppe rund um den Architekten Friedrich Spengelin aus Hannover eher als eine städtebauliche Aufgabe. In Bezug auf das mittelalterlich gewachsene Trier soll ein zentraler Platz als Herzstück die beiden Bereiche „neue Stadt“ und„neue Universität“ prägen. An diesem zentralen Ort soll eine Mischung von öffentlichen Bauten wie Bibliothek, Mensa, Auditorium Maximum zusammen mit Instituten, Wohnbauten, gastronomischen Einrichtungen und Läden eine »besondere Urbanität« erzeugen. An einer 700 Meter langen und 250 Meter breiten Bandstruktur sollen sich optisch gleichförmige Gebäude für ganz unterschiedliche Nutzungen gliedern.
In der ersten Bauphase werden zwischen 1974 und 1978 sowohl die Bibliothekszentrale als auch das A/B-Gebäude errichtet. Vor allem das A/B-Gebäude ist das Gebäude, was die Planung von Spengelin heute am besten repräsentiert. Es ist eine typische Siebziger Jahre-Architektur. Das Gebäude ist kreuzförmig ausgerichtet und mit Hilfe von vorgefertigten Materialien in Euroraster-Größe gestaltet. Innenräume können flexibel angepasst werden. Die poppigen Farben blau, orange und gelb in Architektur und künstlerischer Ausgestaltung zeigen deutlich die Zeichen der Pop-Art und werden auch in den weiteren Gebäuden mit aufgenommen.
Der Entwurf und die Planung der Zentralbibliothek stammen von einer Architektengruppe, die architektonische Bezüge zum A/B-Gebäude aufnimmt, wie die Kupferverkleidungen oder die poppigen Farben. Das markante und zentrale Gebäude der Neuen Universität liegt diagonal gegenüber dem A/B-Gebäude und zeigt sich mit einer lichten und offenen Struktur mit großzügigen Glasflächen. Im Inneren ist sie dank der gläsernen Oberlichter lichtdurchflutet und besticht durch ihre Transparenz. Schon der expressionistische Architekt Bruno Taut hat 1914 mit seinem Glashaus eine Einheit von Natur, Kunst und Technik angestrebt. In den Siebziger Jahr en wird mit der Offenheit und Durchlässigkeit zusätzlich ein Zeichen gegen totalitäre Denk- und Baumuster gesetzt.
Gerade diese Öffnung zur Natur macht deutlich, dass aus dem städtebaulichen Konzept für die Universität Trier nun das Konzept einer organischen Gesamtstruktur wird – der Unicampus entsteht. Maßgeblich beteiligt an der veränderten Ausrichtung ab 1978 ist Konrad Müller. Als Leiter des Hochschulbauteams bringt er seine Erfahrungen aus dem Olympiapark München mit. Er setzt in den kommenden Jahren das Konzept des bis heute erfolgreichen Campus um, in dem sich einzelne Gebäude wie C, D, E oder V in einer gestalteten Landschaft so gruppieren, dass ein gemeinsames Ganzes entsteht, das auch im 21. Jahrhundert noch flexibel angepasst werden kann.
Ein wesentliches, das gesamte Gelände auch heute noch prägendes Gestaltungselement ist die auf Ebenen angelegte Gesamtstruktur, die von Anfang an geplant gewesen ist. Der motorisierte Verkehr hat seine Wege auf einer unteren Ebene. Universitätsangehörige und Studierende finden auf einer höherliegenden Ebene autofreien Raum. Schon in den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat zum Beispiel Le Corbusier genau diese Idee für Städte der Zukunft entwickelt. Das Zentrum des Unicampus I ist das Forum, an dem seit den späten 1980er Jahren auch die Mensa und das Audimax liegen. Zahlreiche Sitzmöglichkeiten bieten Raum für Kommunikation und gemeinsames Lernen. Der große Campuspark lädt außerdem dazu ein, neben dem Lernen und Arbeiten durchzuatmen, seine Gedanken schweifen zu lassen und den Kopf für neue Ideen freizubekommen.
Übrigens haben die Planer 1970 auch an den Petrisberg als Ort für die Universität Trier gedacht, was zu dieser Zeit aber nicht möglich war, denn hier befanden sich französische Kasernen und das französische Militärkrankenhaus André Genet. Dieses wurde Anfang der 1990er-Jahre dann doch noch Teil der Universität, erst als Studentenwohnheim, heute als Campus II.
Die Informationen zu diesem Podcast entstammen zum größten Teil dem Aufsatz von Bernd Nicolai aus dem Band: Auf der grünen Wiese. Die Universität Trier. Architektur. Kunst. Landschaft, Trier 2004. Zur Vertiefung sei das Buch wärmstens empfohlen!