Regierungsburg

Audio-Podcast: 08:28 min


 Kennen Sie… die Regierungsburg?

RegierungsburgDie preußische Verwaltung hat den Ruf einer schnörkellosen, farblosen und langweiligen Bürokratie, die in kasernenartigen Bauten Briefe schreibt, Gesetze anordnet und Dokumente archiviert. Das Ganze geschieht – so das Klischee – von einer Schar Beamter in grauen Anzügen mit Ärmelschonern und Aktentasche bei absoluter Pünktlichkeit. Einen überraschenden Kontrast dazu bildet das Gebäude, welches die Regierung Trier 1905 an der Ecke Deworastraße/Sichelstraße eröffnet und bis Sommer 2013 das Vermessungs- und Katasteramt Trier beherbergte. Heute befindet sich hier ein Teil der Stadtverwaltung.

Raumgreifend und majestätisch ist die “Neue Regierung”, welche ab 1903 zwischen dem Hauptbahnhof und der Domimmunität errichtet wird, um den Trierer Beamten einen repräsentativen Rahmen für ihre tägliche Arbeit zu geben und nach außen hin Machtanspruch zu visualisieren. Die Pläne aus dem Jahr 1901 stammen von Baurat und Kreisbauinspektor Fülles und dem Regierungsbaumeister Raabe, ausführender Architekt war Landbauinspektor Jaffke.

Die beiden fast identischen Hauptflügel des ehemaligen Vermessungs- und Katasteramtes mit Büros und Zeichensälen prägen noch heute das Straßenbild von Dewora- und Sichelstraße. Der Besucher, Bittsteller oder vorbeispazierende Bürger mag sich ob der farblichen und fröhlichen Ausgestaltung der Details und Formen an eine mittelalterliche romantische Burg erinnert fühlen. Standhaft und robust ist der steinerne Sockel, auf dem das Gebäude ruht. Die Hausteine, die bis in die erste Etage des Gebäudes reichen, verleihen den beiden straßenseitigen Flügeln eine unaufdringliche Monumentalität, die im zweiten Obergeschoss aufgelöst wird. Hier erst sind die Wände rund um die Fenster schlicht hell verputzt und nehmen dem Haus die Schwere, die man ob seiner Maße erwarten würde. Knapp 35 Meter lang sind die Flügel an der Sichel- beziehungsweise Deworastraße, die jeweils mit einem Eckpavillon mit spitzem Giebel enden. Hinter den drei Rundbogenfenstern des rechten Pavillons befindet sich ein repräsentativer Sitzungsraum.

 

Die Hauptfassade selbst liegt quer zwischen den beiden Flügeln und ist komplett mit dem natursteinfarbenem Haustein umrandet. Besonders hier fallen die unregelmäßig verteilten Bossensteine ins Auge, die durch ihre grobe Textur den Burgcharakter des neoromanischen Hauses unterstreichen. In der Mitte befindet sich der zentrale Eingang, den man über eine zweiflügelige Treppenanlage erreicht. Ursprünglich hat eine ausladende mittige Freitreppe in das Behördengebäude geführt. Diese einzige maßgebliche Veränderung des Gebäudes, welches im zweiten Weltkrieg weitestgehend verschont blieb, erfolgte im Jahr 1930, als das Haus nach der Nutzung durch amerikanische und französische Besatzer wieder an die Trierer Regierung kam. Die heutigen zwei Treppen führen auf einen überdachten Vorbau mit Säulen, die einen Rundbogen halten. Farbig gefasst sind die Kapitelle, die einen Vorgeschmack auf die reiche innere Ausstattung des Hauses geben. Das Kapitell der linken Säule wird von vier Eulen gebildet, das auf der rechten zeigt vier Schlangen. Alle bildlichen Steinarbeiten stammen von den Trierer Bildhauern Matthias Moritz und Gustav Sobri.

Weiterer figürlicher Schmuck ist auch in den drei Medaillons über den Fenstern des Hauptgeschosses zu finden. Das mittlere Medaillon mit der Krone des Königsreichs Preußen wird flankiert von zwei inhaltlich auf den Zweck des Hauses hinweisenden Bildern. Im linken Rundbild ist ein Greif zu sehen, dem ein Mann Münzen aus dem Maul nimmt. Der Legende nach hortet das Fabeltier bekanntlich Gold, was im übertragenen Sinne an die Regierung abgegeben werden muss. Dies ist ein Hinweis auf die Steuerverwaltung, die auch raumtechnisch im linken Flügel untergebracht war.

Passend dazu widmet sich das rechte Medaillon dem zweiten Bereich der Verwaltung, der Vermessungs- und Katasterbehörde. Zu sehen ist ein Ingenieur, der mit einem Zirkel etwas auf den vor ihm liegenden Plan zeichnet. Neben ihm steht ein zeitgenössischer Feldvermesser, auf dem Tisch liegt ein dreieckiges Lineal. So modern die technische Ausstattung ist, so altertümlich sind die Frisuren und Kleidungsstücke der gezeigten Personen. Sie sind die Reminiszenz an die mittelalterliche Romanik, die der Ideengeber für die Neoromanik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts war. Im verputzen Giebel ist zentral und unübersehbar das Wappen der preußischen Königreiches aufgebracht.

Im Inneren wird der Besucher nach einem dunklen Windfang in einem sechseckigen Vestibül in Empfang genommen, der durch dunkle Säulen mit aufwendig gestalteten Kapitellen gestaltet und von einem Rippgewölbe überspannt ist. Auch hier ist der Schmuck der Kapitelle wie bei der Fassade wegweisend. Auf der einen Seite sind Vermesser mit ihren Instrumenten zu finden, gegenüber Hinweise auf die Steuerverwaltung wie Geldsäcke und Münzen. Drei große Rundbogenfenster weisen auf den Innenhof des Gebäudes und führen den Blick auf den abgerundeten Verbindungstrakt, der die beiden Pavillons an den Enden der Seitenfassaden verbindet.

Es sind vor allem die Kapitelle von Moritz und Sobri, die das Gebäude so interessant machen. Mal wird frech die Steuerschraube karikiert, mal finden sich althergebrachte Motive wie Blattmasken oder der grüne Mann. Am Fuße einer Säule sitzt eine Kröte, Hund und Katze beäugen sich kritisch auf einem Kapitell oder eine Fratze glotzt nach mittelalterlicher Manier unter einem Vorsprung hervor. Und auch die Architekten selbst sowie zwei Zeitgenossen lassen sich im Figurenschmuck verewigen – im Gegensatz zu den meisten anderen mittelalterlich anmutenden Personen im Schick des frühen 20. Jahrhunderts, wie die gezwirbelten Bärte erkennen lassen. Und auch dem Ort des Hauses wird im Ornament Tribut gezollt. Hinweise auf die sich unter dem Gebäude befindenden ehemaligen Kelleranlagen der Weinbaudomäne finden sich in prallen Weinreben und gestapelten Fässern.

Der rückwärtige halbrunde Trakt ist im Unterschied zu den beiden dreigeschossigen Flügeln mit der verbindenden Fassade weitaus niedriger. Auf der Höhe von knapp zwei Geschossen der anschließenden Pavillons befinden sich hier vier niedrige Etagen. Diese beherbergen von Beginn an das Archiv der im Hause befindlichen Verwaltungen, hatten also keinen repräsentativen Zweck zu erfüllen. Die bautechnische Ausstattung im Inneren war im Kontrast zur neoromanischen Optik hochmodern, wie im Zentralblatt der Bauverwaltung 1906 nachzulesen ist: “Die Decken bilden Koenensche Voutenplatten zwischen I-Trägern, die zur Schalldämpfung mit 5 cm starker Sandschicht überdeckt sind. (…) Die Flurgänge sind mit Längstonnengewölben aus Schwemmsteinen überwölbt, darüber liegt die tragende Technik, die durch quergespannte preußische Kappen gebildet wird.”

Trier ist in der Zeit zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg eine wirtschaftlich aufstrebende Stadt, die auch architektonisch große Schritte macht und sich geplant vergrößert. Hierfür ist die “Neue Regierung” ein eindrucksvolles Beispiel. Das ehemalige, “alte” Regierungsgebäude am Domfreihof wurde zu klein und so entschloss man sich 1903, diesen repräsentativen Neubau zu errichten, wie es in Preußen gerne der Fall war. Nahezu gleichzeitig entsteht in den Rheinanlagen in Koblenz das preußische Regierungsgebäude im gleichen Stil, zu nennen ist auch das Landgericht in Berlin-Tegel. Alle Gebäude verbinden alte Sehgewohnheiten mit modernem Inhalt und Ausstattung, die Macht bekommt ein liebliches, vertrautes Angesicht.

 

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